Orts-Chronik von Bestensee

(4) 1931 bis 1945

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Aus der Regionalgeschichte
Chronik von Bestensee

erarbeitet von Harry Schäffer

Der Übergang von der Weimarer Republik zur Hitlerdiktatur

Die Bürgermeisterei von Groß Besten (Rat der Gemeinde) befand sich in den 20er und auch noch in den 30er Jahren in dem ehemaligen Gasthaus an der Glunsgrabenbrücke.
Die Ortspolizeigewalt wurde in jenen Jahren hauptsächlich vom Landjäger (Dorfpolizist) Schein - oftmals "hoch zu Roß" - ausgeübt.
Ein Dorflehrer war in dieser Zeit der Lehrer Schönenann. Die Einwohner von Groß- bzw. Klein Besten, die als Tagelöhner und Landarbeiter auf den Staatsgütern Marienhof, Körbiskrug oder Gräbendorf arbeiteten, wurden sehr schlecht entlohnt, so daß sie zu unseren ärmsten Familien in Groß- und Klein Besten zählten.
Die Ortsgruppen der SPD, KPD und auch der bürgerlichen Parteien hatten sich zu Beginn der 30er Jahre recht gut entwickelt. Doch machten sich jetzt auch immer stärker die Anhänger einer neuen Partei - der NSDAP (Faschisten) - in unseren Heimatdörfern bemerkbar. Mit Terror und Gewalt gingen die Faschisten gegen Andersdenkende vor bzw. mit großen Versprechungen für ein besseres Leben versuchten sie, die Einwohner unserer Dörfer und Städte im Kreisgebiet für ihre Politik zu gewinnen.

Durch Demagogie der Nationalsozialisten und vor allen Dingen durch die Unterstützung von Teilen des Großbürgertums, und durch die Uneinigkeit der Arbeiter bekam diese verbrecherische Partei auch in unseren Kreisortschaften immer mehr Einfluss bei der Bevölkerung. Am 30.1.1933 erfolgte die Machtübernahme durch die NSDAP (Nazis) in Deutschland.
Damit begann auch in unserem heutigen Kreisgebiet - dem damaligen Kreis Teltow - die faschistische Regierungszeit.


Beginn der nationalsozialistischen Regierungszeit am 30.1.1933
Auswirkungen in Groß und Klein Besten

Die sogenannte politische "Gleichschaltung" wurde begonnen. Alle Parteien (Ortsgruppen) wurden in unseren Heimatdörfern aufgelöst und verboten. Aktive Kommunisten und Sozialdemokraten, aber auch Anhänger von bürgerlichen Parteien wurden verhaftet und verschwanden in Gefängnissen oder den neu eingerichteten "Schutzlagern" (spätere Konzentrationslager).
In Groß- und Klein Besten sowie auch in allen anderen Ortschaften des Kreises wurden die schon bestehenden militärischen und faschistischen Organisationen weiter ausgebaut und neue gegründet:

  •   NS-Kindergarten
  •   Deutsches Jungvolk (DJ - Jungen vom 10. bis 14. Lebensjahr)
  •   Deutsche Jungmädel (Mädchen vom 10. bis zum 14. Lebensjahr)
  •   Hitlerjugend (HJ-Jungen vom 14. Lebensjahr bis zur Übernahme in den Reichsarbeitsdienst (RAD vom 17. bis zum 18. Lebensjahr)
  •   Bund deutscher Mädchen (BDM - Mädchen vom 14. Lebensjahr bis zur Übernahme in den Reichsarbeitsdienst)
  •   RAD (vom 17. bis zum 18. Lebensjahr) oder Einsatz in Pflicht- bzw. Landjahren.

Umzug des Kriegervereins an der Dorfaue

Sturmabteilungen (SA-Mitglieder vom 18. Lebensjahr an), Schutzstaffel (SS-Mitglieder vom 18. Lebensjahr an), faschistische Ausrichtung des schon in Groß Besten bestehenden Kriegervereins. Das vom Kriegerverein erbaute Schützenhaus mit Schießbahn am Eingang zum Sutschke-Tal kam nun auch unter nationalsozialistische Führung und Kontrolle.
Mit 19 Jahren erfolgte die Übernahme aller männlichen Jugendlichen in die "großdeutsche" Wehrmacht. Die nationalsozialistischen Führungsfunktionäre im Ortsbereich in der Bürgermeisterei hießen Amtswalter und Blockwarte.
Als Bürgermeister in Groß Besten fungierte der NSDAP-Parteigenosse Hackbarth. Die Bauern in Groß- und Klein Besten leitete ein sogenannter Ortsbauernführer (Erbhof am Dorfteich in Groß Besten).
In den späteren Kriegsjahren (1939-1945) zeigte der Ortsbauernführer Schäricke eine bewundernswerte mutige und aufrechte Haltung. Viele harte und unmenschliche Behandlungsmaßnahmen der Berliner Reichsregierung für die den Bauern in Bestensee zugewiesenen "Ost-Zwangsarbeiter" und Kriegsgefangenen schwächte er ab oder ignorierte die angeordneten Bestimmungen. In Bestensee wurden bei allen Bauernfamilien die zugewiesenen Zwangsarbeiter bzw. Kriegsgefangenen gerecht und menschlich behandelt.
Die schon bestehenden Vereine wie der Gesangverein, Turnverein und Theaterverein u.a. wurden nationalsozialistisch ausgerichtet.


Die 30er Jahre in Groß und Klein Besten


Harry Schäffer vor dem ehem.
RAD-Lager , Foto: D. Möller

Im Jahre 1936 entstand ein großes RAD-Lager am Freudenthaler Tonloch (Jugendliche im Alter von 17, 18 Jahren bekamen hier zuerst arbeitsmäßige und dann verstärkt vormilitärische Ausbildung. Danach wurden sie als Rekruten in die deutsche Wehrmacht übernommen.).
Exerzier- und Übungsplätze erstreckten sich von den Lagerhäusern bis zum Todnitzsee. Bis Ende der 90er Jahre war bei einigen ehemaligen RAD-Häusern der Tonloch-Siedlung der militärisch-graugrüne Tarnanstrich zu erkennen.
In den 30er Jahren erreichte das Baugeschehen, die Besiedlung und der Fremdenverkehr (Tourismus) noch einen gewissen Höhepunkt. So wurden Einheiten des RAD-Lagers zum Entwässerungsgrabenbau (zwischen Kameruner und Freudenthaler Tonloch), zum Straßenbau (Patzer Siedlung am Pätzer Vordersee - heute die Thälmannstraße) und auch zur Kulturarbeit eingesetzt (Unterhaltungs- und Tanzmusik, Vorträge im Cafe Stenglein).
Der Siedlerverein hatte dafür gesorgt, daß an landschaftlich schönen Stellen (so zum Beispiel im Glunsbusch-Gebiet) Bänke aufgestellt wurden. Viele schön geschnitzte Hinweisschilder gaben den Besuchern und Touristen Auskunft über Gastwirtschaften, Strandbäder und besondere landschaftliche Sehenswürdigkeiten in und um Groß- und Klein Besten. Mehrere Taxen standen am Bahnhof und besonders in den Sommermonaten (sonnabends und sonntags regelmäßig) waren die Bürger Gallein und Kietz mit Eiswagen und mit "warmen Würstchen" im Bereich des Bahnhofs zu finden. Die Vermietungen der Hausbesitzer an Berliner Sommergäste stiegen rapide an. Die Siedlungen (Patzer Siedlung am Pätzer Vordersee, Greiser-Siedlung am Pätzer Hintersee, Glunsbusch-Siedlung am Todnitzsee u.a.) entwickelten und vergrößerten sich ständig. Die Tankstellen im Ortsbereich konnten ihren Treibstoff gut verkaufen, da der Auto- und Motorradverkehr bedeutend zugenommen hatte.


Die letzten Friedensjahre vor dem 2. Weltkrieg in Bestensee

1937 begannen die Vorbereitungen für die Zusammenlegung der Dörfer Groß- und Klein-Besten. Am 1.4.1938 wurden dann die Gemeinden Groß- und Klein-Besten zu einem Gemeindebezirk unter dem Namen Bestensee vereinigt.
Am Eingang zum Sutschke-Tal, hinter dem Friedhof von Bestensee-Nord, wurde der Schießplatz und das Schützenhaus des Kriegervereins nun nicht nur vom Kriegerverein, sondern auch vom Bestenseer SA-Sturm und von der HJ genutzt.
Die Kriegsvorbereitungen liefen auf Hochtouren.


Nach einem Nachtmarsch
in der Försterei Dubrow

In der Sutschke fanden wehrsportliche Geländespiele des Jungvolkes und der Hitlerjugend statt. Ab 1936 gab es in den Lebensmittelgeschäften Butter auf Marken. Beginn der Rationalisierung mit einer sogenannten Butterkarte - Hortung für den Kriegsfall - getreu nach dem Motto des Reichspropagandaministers Joseph Goebbels "Kanonen statt Butter".
Reichsautobahnen wurden gebaut. Zwischen Bestensee und Gallun sowie auch zwischen Bestensee und Motzen kreuzte so eine zweispurige "Straße des Führers" unsere Landstraßen. Die militärische Hauptbedeutung dieser Autobahnen war in Deutschland: - günstige und rationelle Aufmarschstraßen für Panzerverbände und motorisierte Wehrmachtseinheiten, um überraschende Angriffskriege zu beginnen.
Bei dem Autobahnbau in der näheren Umgebung von Bestensee waren auch RAD-Einheiten des Lagers vom Freudenthal-Tonloch mit eingesetzt. Die Ausbildung der RAD-Männer (Waffenausbildung - militärische Kriegsübungen) war am Ende der 30er Jahre vorrangig geworden. Durch die Einrichtung des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) bei den Orten Wünsdorf und Zossen, westlich unseres Heimatkreises gelegen, kam es auch in Bestensee und Umgebung zu militärischen Manövern und Übungen von Wehrmachtseinheiten.

Das Gemeindebüro war dann in den letzten Kriegsjahren (1943/1945) nicht mehr wie in den Jahren davor im großen Haus Sinke vor der Glunsgrabenbrücke (Gallunsbrück), sondern befand sich in einem errichteten barackenähnlichen Steinhaus in unmittelbarer Nähe der Arztpraxis von Dr. Rueß (jetzt LVM).

Im Jahre 1938 kamen Filmleute der UFA-Filmgesellschaft Potsdam/Babelsberg nach Bestensee und machten mit einigen Filmschauspielern und Statisten Filmaufnahmen mit unterschiedlichen Kameraeinstellungen für den Spielfilm mit dem ersten Arbeitstitel "Ultimo" vor der Bestenseer Dorfkirche.
1938 erreichte die Judenverfolgung in unserem Heimatkreis eine grausame Steigerung.
In Königs Wusterhausen wurden jüdische Geschäfte demoliert und ihre Besitzer verhaftet. Der jüdische Besitzer der Bestenseer Apotheke, der Apotheker Marcuse, war rechtzeitig aus Bestensee verschwunden.
Die Bürgerin Dittmann zeigte viel persönlichen Mut und versteckte einen Juden bis zum Zusammenbruch des faschistischen Deutschlands im Jahr 1945 in ihrem Haus.
1937/38: der damalige nationalsozialistische Bürgermeister hatte für treue nationalsozialistische Pflichterfüllung im Ort Bestensee 1 Million Reichsmark von der Staatsregierung in Berlin bekommen, mit dem Auftrag, damit eine neue große Schule zu bauen. Doch der Nazifunktionär gab die 1 Million Reichsmark dem "Winterhilfswerk" (WHW - getarnte Organisation zur finanziellen Kriegsvorbereitung). Dadurch wurde sein Ansehen bei der Reichsregierung noch erhöht - doch die Einwohner von Bestensee mußten auf einen Schulneubau verzichten.

Einige Lehrer in Bestensee unmittelbar vor dem 2. Weltkrieg waren der Hauptlehrer Peste, die Lehrer Marquardt, Lehmann, Ritter und Hätscher.
Die Hauptstraße wurde umbenannt in Adolf-Hitler-Straße. Die noch im Ort lebenden Kommunisten - die von den Nazis bisher nicht ins Gefängnis oder KZ gebracht worden waren aber unter ständiger täglicher Kontrolle der Dorffaschisten standen, waren die Sozialdemokraten Wilhelm Franke, Karl Böttcher, Georg Reinl und die KPD-Mitstreiter Paul Pöschk, Alex Stöpper, Fritz Eschler u.a. Trotzdem ihnen die Todesstrafe drohte, versuchten sie weiterhin im Ort und an ihren Arbeitsstätten, z.B. in der Berliner Maschinenbau-AG Wildau (vordem Schwartzkopff-Werke), gegen das Regime wirksam zu werden. Auch einige dieser genannten örtlichen Antifaschisten waren zeitweise verhaftet und inhaftiert.


Bestensee im 2. Weltkrieg

1. September 1939: Die deutsche Wehrmacht begann mit dem Überfall auf Polen den 2. Weltkrieg.
Auch aus Bestensee mußten junge Männer als Soldaten der Wehrmacht an den Kriegshandlungen teilnehmen. Bald kamen die ersten Todesnachrichten und -Anzeigen.
In manchem Bestenseer Haus war großer Jammer und großes Wehklagen über den Tod des Sohnes oder des jungen Ehemannes. Die deutschen Truppen eroberten bis zum Jahre 1941 viele europäische Länder und Gebiete in Nordafrika.
Nach der Einstellung der Tonabbauarbeiten im Tonloch-Tagebau und damit auch Beendigung der Ziegelproduktion in der Pätzer Ziegelei im Jahre 1941 übernahm die SS das Ziegeleigelände und richtete es zu ihrem Stützpunkt ein (Unterbringung und Lagerung von Kraftfahrzeugen, die die Faschisten aus den von ihnen besetzten europäischen Ländern gestohlen hatten - Transport der Autos auf der damals bestehenden Ziegelei-Bahnstrecke zwischen Bestensee/Hauptbahnlinie Berlin-Görlitz und Pätz/Ziegeleigelände).
Am 22. Juni 1941 überfiel die deutsche Wehrmacht die Sowjetunion. Nach Anfangserfolgen wendete sich 1942/43 das Blatt - es erfoIgten schwere deutsche Niederlagen.
Die Rote Armee und Partisanen kämpften unter schwersten Opfern Meter um Meter ihre Heimat frei. 1944 landeten amerikanische und englische Truppen im von den deutschen Truppen besetzten Frankreich. Das Kriegsgeschehen näherte sich im Osten und im Westen den Grenzen Deutschlands.
In unserem Heimatkreis machten sich ab 1943 verstärkt amerikanische und englische Fliegerangriffe bemerkbar. In vielen Nächten heulten die Sirenen und britische Bombenflugzeuge brummten über unseren Heimatorten bei ihren Angriffen auf die Reichshauptstadt Berlin. Viele Berliner kamen sehr oft abends von Berlin in unseren Kreis Teltow und verbrachten die Nächte in Mietswohnungen, Gastwirtschaften oder in den Häuschen ihrer Siedlungsparzellen, um dem Bombentod in ihrer Heimatstadt zu entgehen. Am Morgen fuhren sie dann zu ihren Berliner Wohn- und Arbeitsstätten zurück. Hin und wieder kam es auch bei uns zu Bomben-Notabwürfen durch von der deutschen Flugzeugabwehr (Geschütze oder Jagdflugzeuge) angeschossene englische oder amerikanische Bombenflugzeuge. Diese Bomben und Luftminen explodierten meistens in den Wäldern unserer näheren Umgebung.
Bestensee wurde von Bombenabwürfen weitestgehend verschont. Lediglich im Waldgebiet westlich des Glunsgrabens (nordöstlich der Waldstraße) erfolgten Einschläge, die vermutlich ungezielt waren.

Harry Schäffer erinnert sich an folgendes Erlebnis aus seiner Jugendzeit: 1944 musste ein angeschossener deutscher Nachtjäger auf einem Feld kurz vor der Dubrow notlanden. Kurze Zeit später kam er mit einem Freund zu dieser Stelle, und sah, dass die Maschine teilweise stark beschädigt war. Ein Pilot überlebte mit beiden gebrochenen Beinen. Bewohner aus der näheren Umgebung kümmerten sich um ihn, und transportierten ihn ab.


Kaufhaus in der Adolf-Hitler-Straße
1940, im Hintergrund die Tankstelle

Die Nationalsozialisten bekämpften mit erhöhtem Terror (Todesurteile, Hinrichtungen, Zuchthausstrafen, KZ-Unterbringung) und mit einer unwahrscheinlichen Lügenpropaganda die beginnende Kriegsmüdigkeit in der deutschen Bevölkerung.
Der Rundfunksender Königs Wusterhausen sowie auch die schon in der Weimarer Zeit in Zeesen (westlich der Straße B 179) entstandene Sendestation (in der Nazi-Zeit der sogenannte Deutschland-Sender - Funktürme bis 210 m hoch) dienten nun ausschließlich der Propaganda und Kriegshetze. Aus allen Radios und Rundfunkapparaten ("Volksempfänger") wurde den Einwohnern unserer Heimatdörfer täglich die "Endsieglüge" serviert und eingehämmert.
In den Bauernwirtschaften, auf den Feldern unserer Dörfer und in den Betrieben (z .B. in der Berliner - Wildauer Maschinen-AG) mußten zwangsverschleppte Menschen aus den von der deutschen Wehrmacht noch besetzten europäischen Ländern sowie Kriegsgefangene - Polen, Sowjetmenschen, Franzosen u.a. arbeiten, da die deutschen Bauern und Arbeiter immer mehr für den Fronteinsatz als Soldaten gebraucht wurden und immer schneller "verheizt" wurden. Die Zahl der für "Führer, Volk und
Vaterland" gefallenen oder vermißten Soldaten und Offiziere aus Bestensee wurde immer größer. Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiterlager befanden sich auf dem Güterbahnhofsgelände in Königs Wusterhausen, in Hoherlehme, in Zernsdorf. Besonders die sowjetischen Kriegsgefangenen und Zwangsverschleppten wurden menschenunwürdig behandelt und mußten in dem Wildauer Werk täglich 10-12 Stunden schwerste Arbeit verrichten.
Brutal gingen die faschistischen Machtorgane und "Ordnunghüter" gegen Widerstand oder Arbeitsunwilligkeit der Kriegsgefangenen und Zwangsverschleppten vor.
So in Bestensee ein Hilfspolizist, der sehr oft polnische Zwangsarbeiter, die in Bestenseer Bauernwirtschaften und auf den Feldern arbeiteten, brutal wegen irgendwelcher kleiner Versäumnisse zusammenschlug und sie dann tagelang ohne Nahrung einsperrte.
Ab 1944 wurden im Wildauer Werk sogenannte Schienenreißer gebaut, die dann bei den Rückzügen der Wehrmacht - besonders im Osten - zur Schaffung der "verbrannten Erde" (Hitlerbefehl: "Alle Gebiete, die die deutschen Truppen räumen müssen - restlos vernichten.") eingesetzt wurden. Diese Schienenreißer - angehängt an Lokomotiven - zerfetzten und zerstörten tausende kilometerlange sowjetische und polnische Eisenbahnstrecken.

Im Jahr 1943 nahmen die Tagesangriffe der amerikanischen Luftwaffe auch in unserem Heimatkreis zu.
Die amerikanischen Bomber ("fliegende Festungen"), viermotorige Großkampfflugzeuge, die von England aus starteten, warfen in diesem Jahr bei zwei Tagesangriffen massiert Bomben über Wildau. Viele Sprengbomben explodierten auf dem Wiesengelände zwischen der Wildauer Gärtnerei und der Autobahn, im Werk war nur geringfügiger Schaden durch einige Brandbomben - und über Zernsdorf ab. Hierbei handelte es sich um den Bombenabwurf einer von einem deutschen Jagdflugzeug angeschossenen "fliegenden Festung", die dann auch später abstürzte.
In Zernsdorf wurden durch diesen Bombenabwurf einige Häuser zerstört bzw. beschädigt.
In den ersten Monaten des Jahres 1945 machte sich das Kriegsgeschehen in unserem Kreis Teltow immer deutlicher bemerkbar. Die sowjetischen Truppen und die amerikanischen und englischen Truppen hatten die deutschen Reichsgrenzen überschritten und trieben die angeschlagenen Resteinheiten der deutschen Armeen vor sich her.
Der Krieg tobte nun auf deutschem Boden.


Bestensee im Winter und Frühjahr 1945

Im Januar und Februar 1945 zogen die ersten "Flüchtlings"-Wagenzüge - von Osten kommend - durch Bestensee. Diese flüchtende Bevölkerung aus den deutschen Ostgebieten war teilweise von den zurückgehenden deutschen Truppen aus ihren Heimatortschaften evakuiert worden, bzw. es verließen auch Tausende von Ostdeutschen freiwillig ihre Heimat, weil die Russenangst in ihren Köpfen der Antrieb war.
Auf Befehl der Reichsregierung in Berlin wurde der "Volkssturm" als zusätzlicher "Verteidigungsfaktor" ins Leben gerufen. Bei dieser sogenannten "Verteidigung" Deutschlands ging es nun in Wirklichkeit nur noch um den Schutz und um die Verlängerung der Regierungs- bzw. Lebenszeit der hohen Partei-, Staats- und Wirtschaftsfunktionäre der Hitlerregierung.
Auch in Bestensee befahlen die Parteifunktionäre des Ortes die Aufstellung von Volkssturmeinheiten. Ältere Männer und Jugendliche von Bestensee, die noch nicht als Soldaten im aktiven Wehrdienst standen, wurden in der Organisation des Volkssturmes erfaßt und sollten auf Befehl der Naziführer Bestensee gegen die anrückenden sowjetischen Truppen verteidigen.
Im März 1945 mußten von der Bevölkerung Bestensees an den Ortsausgängen aus Baumstämmen sogenannte Panzersperren errichtet werden. Am Glunsgraben - zwischen der Glunsgrabenbrücke und der Elsenbrücke - wurden an der Westuferböschung Erdstellungen (Schützenlöcher) ausgehoben. Der große Saal des Gasthauses Rodominski wurde für Ostflüchtlinge und dann im April als Liegeraum für verwundete deutsche Soldaten bereitgestellt.
Das NS-Müttererholungsheim am Seechen bekam den Status als Lazarett der Wehrmacht. Viele Hausbesitzer bekamen nun geflohene Menschen aus den ostdeutschen Gebieten, die nicht weiter nach dem Westen ihre Flucht fortsetzen wollten, als Zwangsmieter zugewiesen. Der Volkssturm, die noch nicht als Soldaten an den Fronten eingesetzten und im RAD-Lager Freudenthal verbliebenen Arbeitsmänner und die Hitlerjugend übten jetzt ständig unter Leitung des Volkssturmkommandeurs und des HJ- und DJ-Führers den Verteidigungskampf. Das militärische Übungsgelände war oftmals die Sutschke.
Eine Wehrmachts-Pioniereinheit unter dem Befehl eines Hauptmanns wurde Anfang April in Bestensee stationiert.


Gaststätte Rodominsky

Der Befehlsstand der Offiziere war das Gasthaus Rodominski. Die Soldaten waren in den Häusern der unmittelbaren Umgebung der Gastwirtschaft einquartiert.
Auf einem Nebengleis der Bahnstrecke Berlin-Görlitz, 200 m nördlich vor dem Bahnhof Bestensee, stand ein großer Güterwagen voller Sprengstoff, Granaten, Minen und Munition, den die Soldaten der Pioniereinheit Tag und Nacht bewachten.
Die Lügenpropaganda-Maschine der Faschisten lief auf Hochtouren. Ständig wurde der Bevölkerung durch Rundfunk, Presse, Filme und in den Orts- und Einwohnerversammlungen durch die Nazifunktionäre eingehämmert: "Durchhalten - kämpfen für Großdeutschland - der Endsieg ist dem deutschen Volk sicher."
Die Rote Armee hatte inzwischen die Oder/Neiße-Linie erreicht, die Amerikaner und Engländer standen vor Thüringen, Sachsen und Mecklenburg.
Am 16. April 1945 begann der letzte Großangriff der Roten Armee in Richtung Reichshauptstadt Berlin und somit auch in Richtung unseres Heimatkreises.
Nach einem gewaltigen massiven Artillerie- und Bombenschlag stießen sowjetische Panzer- Infanterieverbände der 1. Belorussischen und der 1. Ukrainischen Front in Richtung Berlin vor. Von diesem Tage an wurde das dumpfe Grollen der Artillerie- und Bombenexplosionen aus der östlichen Himmelsrichtung jeden Tag und jede Nacht von den Einwohnern Betsensees gehört. Der Kampflärm, das Bodenzittern und Beben wurde mit dem Näherkommen der Roten Armee immer stärker.
Die deutschen Truppen leisteten erbitterten Widerstand. 174 deutsche Divisionen mit einer Gesamtstärke von ungefähr 1 Million Soldaten, mit zusätzlichen Volkssturmeinheiten und Hitlerjugend-Verbänden, 10.400 Geschützen, 1.500 Panzern und Sturmgeschützen sowie 3.300 Flugzeugen kämpften verbissen um jede Ortschaft und um jedes wichtige Geländestück zwischen der Reichshauptstadt Berlin und der Oder. Wer nicht mehr kämpfen wollte, wurde von der SS sofort erschossen oder aufgehängt.
Doch die Schlagkraft der Roten Armee war nicht aufzuhalten.
Am 21. April erreichten Einheiten der 1. Ukrainischen Front die Ortschaften Egsdorf und Teupitz in unserem Heimatgebiet. Diese Einheiten stießen blitzartig in Richtung Berlin weiter und vereinigten sich am 25. April mit den sowjetischen Truppeneinheiten der 1. Belorussischen Front, die aus der Richtung Frankfurt/Oder kommend, die südöstlichen Vororte von Berlin erreicht hatten.
Damit war die deutsche 9. Armee unter Befehl des Generaloberst Busse mit ungefähr 200.000 Mann im Raum Storkow - Märkisch-Buchholz - Halbe - Teupitz - Baruth eingeschlossen. In diesem Kesselgebiet mit Zentrum Halbe waren ebenfalls Reste der 4. deutschen Panzerarmee, Tausende von Flüchtlingen aus dem Odergebiet sowie die Einwohner der im Einschließungsraum gelegenen Ortschaften.
Im Norden von Berlin waren sowjetische Verbände weit nach Westen vorgedrungen, so dass die Berliner deutschen Verteidigungstruppen ebenfalls eingeschlossen waren. Kapitulationsangebote der sowjetischen Heerführer wurden von dem deutschen General Busse im Kesselgebiet Halbe sowie von Hitler im Bunker der Reichskanzlei im Stadtzentrum von Berlin abgelehnt.
So begannen die letzten großen Vernichtungsschlachten im Halber Einschließungsraum und in Berlin.
Die Ereignisse in Bestensee wurden in diesen Apriltagen ganz von dem unmittelbaren Kriegsgeschehen diktiert. Vor der Roten Armee flüchtende Wehrmachtseinheiten und Flüchtlinge durchzogen den Ort.
Verwundete Soldaten lagen im Saal des Gasthauses Rodominski, in den Räumen des zum Lazarett umfunktionierten Müttergenesungsheimes am Seechen sowie auch in anderen größeren Räumen von öffentlichen Gebäuden in Bestensee.


Das Ende der nationalsozialistischen Herrschaft in Bestensee

Der Kampflärm wurde von Tag zu Tag immer stärker.


Elsenbrücke am Todnitzsee

Am 20. April zerstörten die Soldaten der in Bestensee stationierten Pioniereinheit die Elsenbrücke am Todnitzsee (Holzbrücke über dem Glunsgraben) und sprengten den Munitionswagen auf dem Nebengleis vor dem Bestenseer Bahnhof in die Luft. Bei dieser gewaltigen Explosion wurden viele Häuser in der näheren Umgebung beschädigt (Dachziegel- und Fensterscheibenschäden).
Die verwundeten Soldaten wurden vom Gasthaus Rodominski zum Gebäude am Seechen gebracht. Am 22. April veranstalteten die Ortsfaschisten im Lokal Rodominski eine Vokssturmversammlung und forderten alle Anwesenden auf, Bestensee gegen die anrückenden sowjetischen Truppen zu verteidigen. Der ebenfalls anwesende Alex Stöpper erhob die Stimme und sprach mutig vor den Faschisten über die Auflösung des Volkssturmes. Er wollte, daß Bestensee kampflos der Roten Armee übergeben wird. Die Bestenseer Nazis wollten ihn daraufhin gefangennehmen und erschiessen. Er konnte in den Glunsbusch fliehen. Die SPD-Mitstreiter Karl Böttcher und Georg Reinl brachten ihm nachts Lebensmittel und Decken.
Am Ostufer des Todnitzsees hatte eine Wehrmachts-Artillerieabteilung mit einigen 21 cm-Langrohrgeschützen Stellung bezogen. Am 23. April wurden die Kanonen von den deutschen Soldaten gesprengt und somit unbrauchbar gemacht.
Kriegsgerät, Munition und auch Granaten wurden ebenfalls vernichtet bzw. in den Todnitzsee geworfen. Die Offiziere und Soldaten dieser Abteilung sowie auch die Soldaten der in Bestensee stationierten Pionierabteilung flohen dann in Richtung Halbe/Märkisch Buchholz zur 9. deutschen Armeegruppe und gingen wahrscheinlich dort in der darauffolgenden Kesselschlacht bei Halbe (vom 25.4. bis 30.4.1945) zu Grunde.
Die führenden Faschisten von Bestensee flohen am 24. und 25. April ebenfalls zu den deutschen Fronttruppen in Richtung Halbe und Märkisch-Buchholz. Einige Nazis und auch einige durch die Nazipropaganda verängstigte und irregeführte Bestenseer Bürger verübten Selbstmord. Der Volkssturm löste sich auf. Die Waffen wurden weggeworfen (Wald und Dorfteich) bzw. vernichtet. Die Hitlerjugend- und Jungvolkführung von Bestensee wollte unbedingt den sinnlosen Verteidigungskampf. Doch zu dem befohlenen Treffen (Waffenausgabe und Kampfeinweisung) beim Fähnlein- und Gefolgschaftsführer erschien keiner der Jungen von Bestensee. In den Bestenseer Familien hatten die Väter und Mütter dafür gesorgt, daß dieser unsinnige Befehl von ihren Söhnen nicht mehr befolgt wurde. So verteidigte der HJ-Führer dann am 26. April allein seine Villa an der Straße nach Motzen - in der Nähe des Kiessees und starb im Kampf gegen die Rotarmisten.


Glunsgrabenbrücke/Hauptstr.

Am 26. April vormittags wollte ein SS-Sprengkommando vom Stützpunkt Pätz/Ziegelei die Steinbrücke (Glunsgrabenbrücke/Gallunsbrück) in die Luft sprengen.
Ein mutiger Bürger von Bestensee (Herr Sinke) schnitt die Sprengkabel durch. Somit blieb die Brücke - bis auf eine kleine Beschädigung an der nördlichen Seite erhalten. Um die Mittagszeit dann war die Besetzung des Heimatortes Bestensee durch die Rote Armee. Truppenteile der 1. Ukrainischen Front drangen nach kurzem Granatwerferbeschuß - wodurch kaum Schäden in Bestensee entstanden - auf der Straße B 246 aus der Richtung Gallun-Marienhof kommend in Bestensee kampflos ein.
Nach Verständigung mit den sowjetischen Genossen gründete Alex Stöpper mit Karl Pöschk, Georg Reinl und Karl Böttcher die erste provisorische Gemeindeverwaltung am 1. Mai 1945 in Bestensee. Alex Stöpper war der erste Nachkriegs-Bürgermeister von Bestensee.
Die Kesselschlacht um Halbe tobte noch bis zum 30. April.
Am Nachmittag des 30. April beging Hitler im Reichskanzleibunker in Berlin Selbstmord. Das Kampfgeschehen in Berlin ging bis zum 2. Mai - dann erst waren in der völlig zerstörten Stadt die Kämpfe beendet.
Am 1. Mai war die Schlacht in und um Halbe zu Ende.

 

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