Aus der Regionalgeschichte
Chronik von Bestensee
erarbeitet von
Harry Schäffer
Der Übergang von der Weimarer Republik zur Hitlerdiktatur
Die Bürgermeisterei von Groß Besten (Rat der Gemeinde) befand
sich in den 20er und auch noch in den 30er Jahren in dem ehemaligen Gasthaus
an der Glunsgrabenbrücke.
Die Ortspolizeigewalt wurde in jenen Jahren hauptsächlich vom Landjäger
(Dorfpolizist) Schein - oftmals "hoch zu Roß" - ausgeübt.
Ein Dorflehrer war in dieser Zeit der Lehrer Schönenann. Die Einwohner
von Groß- bzw. Klein Besten, die als Tagelöhner und Landarbeiter
auf den Staatsgütern Marienhof, Körbiskrug oder Gräbendorf
arbeiteten, wurden sehr schlecht entlohnt, so daß sie zu unseren
ärmsten Familien in Groß- und Klein Besten zählten.
Die Ortsgruppen der SPD, KPD und auch der bürgerlichen Parteien hatten
sich zu Beginn der 30er Jahre recht gut entwickelt. Doch machten sich
jetzt auch immer stärker die Anhänger einer neuen Partei - der
NSDAP (Faschisten) - in unseren Heimatdörfern bemerkbar. Mit Terror
und Gewalt gingen die Faschisten gegen Andersdenkende vor bzw. mit großen
Versprechungen für ein besseres Leben versuchten sie, die Einwohner
unserer Dörfer und Städte im Kreisgebiet für ihre Politik
zu gewinnen.
Durch Demagogie der Nationalsozialisten und vor allen Dingen durch die
Unterstützung von Teilen des Großbürgertums, und durch
die Uneinigkeit der Arbeiter bekam diese verbrecherische Partei auch in
unseren Kreisortschaften immer mehr Einfluss bei der Bevölkerung.
Am 30.1.1933 erfolgte die Machtübernahme durch die NSDAP (Nazis)
in Deutschland.
Damit begann auch in unserem heutigen Kreisgebiet - dem damaligen Kreis
Teltow - die faschistische Regierungszeit.
Beginn der nationalsozialistischen Regierungszeit am 30.1.1933
Auswirkungen in Groß und Klein Besten
Die sogenannte politische "Gleichschaltung" wurde begonnen.
Alle Parteien (Ortsgruppen) wurden in unseren Heimatdörfern aufgelöst
und verboten. Aktive Kommunisten und Sozialdemokraten, aber auch Anhänger
von bürgerlichen Parteien wurden verhaftet und verschwanden in Gefängnissen
oder den neu eingerichteten "Schutzlagern" (spätere Konzentrationslager).
In Groß- und Klein Besten sowie auch in allen anderen Ortschaften
des Kreises wurden die schon bestehenden militärischen und faschistischen
Organisationen weiter ausgebaut und neue gegründet:
- NS-Kindergarten
- Deutsches Jungvolk (DJ - Jungen vom 10. bis 14. Lebensjahr)
- Deutsche Jungmädel (Mädchen vom 10. bis zum
14. Lebensjahr)
- Hitlerjugend (HJ-Jungen vom 14. Lebensjahr bis zur Übernahme
in den Reichsarbeitsdienst (RAD vom 17. bis zum 18. Lebensjahr)
- Bund deutscher Mädchen (BDM - Mädchen vom 14.
Lebensjahr bis zur Übernahme in den Reichsarbeitsdienst)
- RAD (vom 17. bis zum 18. Lebensjahr) oder Einsatz in Pflicht-
bzw. Landjahren.
Umzug des Kriegervereins an der Dorfaue
|
Sturmabteilungen (SA-Mitglieder vom 18. Lebensjahr an), Schutzstaffel
(SS-Mitglieder vom 18. Lebensjahr an), faschistische Ausrichtung des schon
in Groß Besten bestehenden Kriegervereins. Das vom Kriegerverein
erbaute Schützenhaus mit Schießbahn am Eingang zum Sutschke-Tal
kam nun auch unter nationalsozialistische Führung und Kontrolle.
Mit 19 Jahren erfolgte die Übernahme aller männlichen Jugendlichen
in die "großdeutsche" Wehrmacht. Die nationalsozialistischen
Führungsfunktionäre im Ortsbereich in der Bürgermeisterei
hießen Amtswalter und Blockwarte.
Als Bürgermeister in Groß Besten fungierte der NSDAP-Parteigenosse
Hackbarth. Die Bauern in Groß- und Klein Besten leitete ein sogenannter
Ortsbauernführer (Erbhof am Dorfteich in Groß Besten).
In den späteren Kriegsjahren (1939-1945) zeigte der Ortsbauernführer
Schäricke eine bewundernswerte mutige und aufrechte Haltung. Viele
harte und unmenschliche Behandlungsmaßnahmen der Berliner Reichsregierung
für die den Bauern in Bestensee zugewiesenen "Ost-Zwangsarbeiter"
und Kriegsgefangenen schwächte er ab oder ignorierte die angeordneten
Bestimmungen. In Bestensee wurden bei allen Bauernfamilien die zugewiesenen
Zwangsarbeiter bzw. Kriegsgefangenen gerecht und menschlich behandelt.
Die schon bestehenden Vereine wie der Gesangverein, Turnverein und Theaterverein
u.a. wurden nationalsozialistisch ausgerichtet.
Die 30er Jahre in Groß und Klein Besten
Harry Schäffer vor dem ehem.
RAD-Lager , Foto: D. Möller |
Im Jahre 1936 entstand ein großes RAD-Lager am Freudenthaler Tonloch
(Jugendliche im Alter von 17, 18 Jahren bekamen hier zuerst arbeitsmäßige
und dann verstärkt vormilitärische Ausbildung. Danach wurden
sie als Rekruten in die deutsche Wehrmacht übernommen.).
Exerzier- und Übungsplätze erstreckten sich von den Lagerhäusern
bis zum Todnitzsee. Bis Ende der 90er Jahre war bei einigen ehemaligen
RAD-Häusern der Tonloch-Siedlung der militärisch-graugrüne
Tarnanstrich zu erkennen.
In den 30er Jahren erreichte das Baugeschehen, die Besiedlung und der
Fremdenverkehr (Tourismus) noch einen gewissen Höhepunkt. So wurden
Einheiten des RAD-Lagers zum Entwässerungsgrabenbau (zwischen Kameruner
und Freudenthaler Tonloch), zum Straßenbau (Patzer Siedlung am Pätzer
Vordersee - heute die Thälmannstraße) und auch zur Kulturarbeit
eingesetzt (Unterhaltungs- und Tanzmusik, Vorträge im Cafe Stenglein).
Der Siedlerverein hatte dafür gesorgt, daß an landschaftlich
schönen Stellen (so zum Beispiel im Glunsbusch-Gebiet) Bänke
aufgestellt wurden. Viele schön geschnitzte Hinweisschilder gaben
den Besuchern und Touristen Auskunft über Gastwirtschaften, Strandbäder
und besondere landschaftliche Sehenswürdigkeiten in und um Groß-
und Klein Besten. Mehrere Taxen standen am Bahnhof und besonders in den
Sommermonaten (sonnabends und sonntags regelmäßig) waren die
Bürger Gallein und Kietz mit Eiswagen und mit "warmen Würstchen"
im Bereich des Bahnhofs zu finden. Die Vermietungen der Hausbesitzer an
Berliner Sommergäste stiegen rapide an. Die Siedlungen (Patzer Siedlung
am Pätzer Vordersee, Greiser-Siedlung am Pätzer Hintersee, Glunsbusch-Siedlung
am Todnitzsee u.a.) entwickelten und vergrößerten sich ständig.
Die Tankstellen im Ortsbereich konnten ihren Treibstoff gut verkaufen,
da der Auto- und Motorradverkehr bedeutend zugenommen hatte.
Die letzten Friedensjahre vor dem 2. Weltkrieg in Bestensee
1937 begannen die Vorbereitungen für die Zusammenlegung der Dörfer
Groß- und Klein-Besten. Am 1.4.1938 wurden dann die Gemeinden Groß-
und Klein-Besten zu einem Gemeindebezirk unter dem Namen Bestensee vereinigt.
Am Eingang zum Sutschke-Tal, hinter dem Friedhof von Bestensee-Nord, wurde
der Schießplatz und das Schützenhaus des Kriegervereins nun
nicht nur vom Kriegerverein, sondern auch vom Bestenseer SA-Sturm und
von der HJ genutzt.
Die Kriegsvorbereitungen liefen auf Hochtouren.
Nach einem Nachtmarsch
in der Försterei Dubrow |
In der Sutschke fanden wehrsportliche Geländespiele des Jungvolkes
und der Hitlerjugend statt. Ab 1936 gab es in den Lebensmittelgeschäften
Butter auf Marken. Beginn der Rationalisierung mit einer sogenannten Butterkarte
- Hortung für den Kriegsfall - getreu nach dem Motto des Reichspropagandaministers
Joseph Goebbels "Kanonen statt Butter".
Reichsautobahnen wurden gebaut. Zwischen Bestensee und Gallun sowie auch
zwischen Bestensee und Motzen kreuzte so eine zweispurige "Straße
des Führers" unsere Landstraßen. Die militärische
Hauptbedeutung dieser Autobahnen war in Deutschland: - günstige und
rationelle Aufmarschstraßen für Panzerverbände und motorisierte
Wehrmachtseinheiten, um überraschende Angriffskriege zu beginnen.
Bei dem Autobahnbau in der näheren Umgebung von Bestensee waren auch
RAD-Einheiten des Lagers vom Freudenthal-Tonloch mit eingesetzt. Die Ausbildung
der RAD-Männer (Waffenausbildung - militärische Kriegsübungen)
war am Ende der 30er Jahre vorrangig geworden. Durch die Einrichtung des
Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) bei den Orten Wünsdorf und Zossen,
westlich unseres Heimatkreises gelegen, kam es auch in Bestensee und Umgebung
zu militärischen Manövern und Übungen von Wehrmachtseinheiten.
Das Gemeindebüro war dann in den letzten Kriegsjahren (1943/1945)
nicht mehr wie in den Jahren davor im großen Haus Sinke vor der
Glunsgrabenbrücke (Gallunsbrück), sondern befand sich in einem
errichteten barackenähnlichen Steinhaus in unmittelbarer Nähe
der Arztpraxis von Dr. Rueß (jetzt LVM).
Im Jahre 1938 kamen Filmleute der UFA-Filmgesellschaft Potsdam/Babelsberg
nach Bestensee und machten mit einigen Filmschauspielern und Statisten
Filmaufnahmen mit unterschiedlichen Kameraeinstellungen für den Spielfilm
mit dem ersten Arbeitstitel "Ultimo" vor der Bestenseer Dorfkirche.
1938 erreichte die Judenverfolgung in unserem Heimatkreis eine grausame
Steigerung.
In Königs Wusterhausen wurden jüdische Geschäfte demoliert
und ihre Besitzer verhaftet. Der jüdische Besitzer der Bestenseer
Apotheke, der Apotheker Marcuse, war rechtzeitig aus Bestensee verschwunden.
Die Bürgerin Dittmann zeigte viel persönlichen Mut und versteckte
einen Juden bis zum Zusammenbruch des faschistischen Deutschlands im Jahr
1945 in ihrem Haus.
1937/38: der damalige nationalsozialistische Bürgermeister hatte
für treue nationalsozialistische Pflichterfüllung im Ort Bestensee
1 Million Reichsmark von der Staatsregierung in Berlin bekommen, mit dem
Auftrag, damit eine neue große Schule zu bauen. Doch der Nazifunktionär
gab die 1 Million Reichsmark dem "Winterhilfswerk" (WHW - getarnte
Organisation zur finanziellen Kriegsvorbereitung). Dadurch wurde sein
Ansehen bei der Reichsregierung noch erhöht - doch die Einwohner
von Bestensee mußten auf einen Schulneubau verzichten.
Einige Lehrer in Bestensee unmittelbar vor dem 2. Weltkrieg waren der
Hauptlehrer Peste, die Lehrer Marquardt, Lehmann, Ritter und Hätscher.
Die Hauptstraße wurde umbenannt in Adolf-Hitler-Straße. Die
noch im Ort lebenden Kommunisten - die von den Nazis bisher nicht ins
Gefängnis oder KZ gebracht worden waren aber unter ständiger
täglicher Kontrolle der Dorffaschisten standen, waren die Sozialdemokraten
Wilhelm Franke, Karl Böttcher, Georg Reinl und die KPD-Mitstreiter
Paul Pöschk, Alex Stöpper, Fritz Eschler u.a. Trotzdem ihnen
die Todesstrafe drohte, versuchten sie weiterhin im Ort und an ihren Arbeitsstätten,
z.B. in der Berliner Maschinenbau-AG Wildau (vordem Schwartzkopff-Werke),
gegen das Regime wirksam zu werden. Auch einige dieser genannten örtlichen
Antifaschisten waren zeitweise verhaftet und inhaftiert.
Bestensee im 2. Weltkrieg
1. September 1939: Die deutsche Wehrmacht begann mit dem Überfall
auf Polen den 2. Weltkrieg.
Auch aus Bestensee mußten junge Männer als Soldaten der Wehrmacht
an den Kriegshandlungen teilnehmen. Bald kamen die ersten Todesnachrichten
und -Anzeigen.
In manchem Bestenseer Haus war großer Jammer und großes Wehklagen
über den Tod des Sohnes oder des jungen Ehemannes. Die deutschen
Truppen eroberten bis zum Jahre 1941 viele europäische Länder
und Gebiete in Nordafrika.
Nach der Einstellung der Tonabbauarbeiten im Tonloch-Tagebau und damit
auch Beendigung der Ziegelproduktion in der Pätzer Ziegelei im Jahre
1941 übernahm die SS das Ziegeleigelände und richtete es zu
ihrem Stützpunkt ein (Unterbringung und Lagerung von Kraftfahrzeugen,
die die Faschisten aus den von ihnen besetzten europäischen Ländern
gestohlen hatten - Transport der Autos auf der damals bestehenden Ziegelei-Bahnstrecke
zwischen Bestensee/Hauptbahnlinie Berlin-Görlitz und Pätz/Ziegeleigelände).
Am 22. Juni 1941 überfiel die deutsche Wehrmacht die Sowjetunion.
Nach Anfangserfolgen wendete sich 1942/43 das Blatt - es erfoIgten schwere
deutsche Niederlagen.
Die Rote Armee und Partisanen kämpften unter schwersten Opfern Meter
um Meter ihre Heimat frei. 1944 landeten amerikanische und englische Truppen
im von den deutschen Truppen besetzten Frankreich. Das Kriegsgeschehen
näherte sich im Osten und im Westen den Grenzen Deutschlands.
In unserem Heimatkreis machten sich ab 1943 verstärkt amerikanische
und englische Fliegerangriffe bemerkbar. In vielen Nächten heulten
die Sirenen und britische Bombenflugzeuge brummten über unseren Heimatorten
bei ihren Angriffen auf die Reichshauptstadt Berlin. Viele Berliner kamen
sehr oft abends von Berlin in unseren Kreis Teltow und verbrachten die
Nächte in Mietswohnungen, Gastwirtschaften oder in den Häuschen
ihrer Siedlungsparzellen, um dem Bombentod in ihrer Heimatstadt zu entgehen.
Am Morgen fuhren sie dann zu ihren Berliner Wohn- und Arbeitsstätten
zurück. Hin und wieder kam es auch bei uns zu Bomben-Notabwürfen
durch von der deutschen Flugzeugabwehr (Geschütze oder Jagdflugzeuge)
angeschossene englische oder amerikanische Bombenflugzeuge. Diese Bomben
und Luftminen explodierten meistens in den Wäldern unserer näheren
Umgebung.
Bestensee wurde von Bombenabwürfen weitestgehend verschont. Lediglich
im Waldgebiet westlich des Glunsgrabens (nordöstlich der Waldstraße)
erfolgten Einschläge, die vermutlich ungezielt waren.
Harry Schäffer erinnert sich an folgendes Erlebnis aus seiner Jugendzeit:
1944 musste ein angeschossener deutscher Nachtjäger auf einem Feld
kurz vor der Dubrow notlanden. Kurze Zeit später kam er mit einem
Freund zu dieser Stelle, und sah, dass die Maschine teilweise stark beschädigt
war. Ein Pilot überlebte mit beiden gebrochenen Beinen. Bewohner
aus der näheren Umgebung kümmerten sich um ihn, und transportierten
ihn ab.
Kaufhaus in der Adolf-Hitler-Straße
1940, im Hintergrund die Tankstelle |
Die Nationalsozialisten bekämpften mit erhöhtem Terror (Todesurteile,
Hinrichtungen, Zuchthausstrafen, KZ-Unterbringung) und mit einer unwahrscheinlichen
Lügenpropaganda die beginnende Kriegsmüdigkeit in der deutschen
Bevölkerung.
Der Rundfunksender Königs Wusterhausen sowie auch die schon in der
Weimarer Zeit in Zeesen (westlich der Straße B 179) entstandene
Sendestation (in der Nazi-Zeit der sogenannte Deutschland-Sender - Funktürme
bis 210 m hoch) dienten nun ausschließlich der Propaganda und Kriegshetze.
Aus allen Radios und Rundfunkapparaten ("Volksempfänger")
wurde den Einwohnern unserer Heimatdörfer täglich die "Endsieglüge"
serviert und eingehämmert.
In den Bauernwirtschaften, auf den Feldern unserer Dörfer und in
den Betrieben (z .B. in der Berliner - Wildauer Maschinen-AG) mußten
zwangsverschleppte Menschen aus den von der deutschen Wehrmacht noch besetzten
europäischen Ländern sowie Kriegsgefangene - Polen, Sowjetmenschen,
Franzosen u.a. arbeiten, da die deutschen Bauern und Arbeiter immer mehr
für den Fronteinsatz als Soldaten gebraucht wurden und immer schneller
"verheizt" wurden. Die Zahl der für "Führer,
Volk und
Vaterland" gefallenen oder vermißten Soldaten und Offiziere
aus Bestensee wurde immer größer. Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiterlager
befanden sich auf dem Güterbahnhofsgelände in Königs Wusterhausen,
in Hoherlehme, in Zernsdorf. Besonders die sowjetischen Kriegsgefangenen
und Zwangsverschleppten wurden menschenunwürdig behandelt und mußten
in dem Wildauer Werk täglich 10-12 Stunden schwerste Arbeit verrichten.
Brutal gingen die faschistischen Machtorgane und "Ordnunghüter"
gegen Widerstand oder Arbeitsunwilligkeit der Kriegsgefangenen und Zwangsverschleppten
vor.
So in Bestensee ein Hilfspolizist, der sehr oft polnische Zwangsarbeiter,
die in Bestenseer Bauernwirtschaften und auf den Feldern arbeiteten, brutal
wegen irgendwelcher kleiner Versäumnisse zusammenschlug und sie dann
tagelang ohne Nahrung einsperrte.
Ab 1944 wurden im Wildauer Werk sogenannte Schienenreißer gebaut,
die dann bei den Rückzügen der Wehrmacht - besonders im Osten
- zur Schaffung der "verbrannten Erde" (Hitlerbefehl: "Alle
Gebiete, die die deutschen Truppen räumen müssen - restlos vernichten.")
eingesetzt wurden. Diese Schienenreißer - angehängt an Lokomotiven
- zerfetzten und zerstörten tausende kilometerlange sowjetische und
polnische Eisenbahnstrecken.
Im Jahr 1943 nahmen die Tagesangriffe der amerikanischen Luftwaffe auch
in unserem Heimatkreis zu.
Die amerikanischen Bomber ("fliegende Festungen"), viermotorige
Großkampfflugzeuge, die von England aus starteten, warfen in diesem
Jahr bei zwei Tagesangriffen massiert Bomben über Wildau. Viele Sprengbomben
explodierten auf dem Wiesengelände zwischen der Wildauer Gärtnerei
und der Autobahn, im Werk war nur geringfügiger Schaden durch einige
Brandbomben - und über Zernsdorf ab. Hierbei handelte es sich um
den Bombenabwurf einer von einem deutschen Jagdflugzeug angeschossenen
"fliegenden Festung", die dann auch später abstürzte.
In Zernsdorf wurden durch diesen Bombenabwurf einige Häuser zerstört
bzw. beschädigt.
In den ersten Monaten des Jahres 1945 machte sich das Kriegsgeschehen
in unserem Kreis Teltow immer deutlicher bemerkbar. Die sowjetischen Truppen
und die amerikanischen und englischen Truppen hatten die deutschen Reichsgrenzen
überschritten und trieben die angeschlagenen Resteinheiten der deutschen
Armeen vor sich her.
Der Krieg tobte nun auf deutschem Boden.
Bestensee im Winter und Frühjahr 1945
Im Januar und Februar 1945 zogen die ersten "Flüchtlings"-Wagenzüge
- von Osten kommend - durch Bestensee. Diese flüchtende Bevölkerung
aus den deutschen Ostgebieten war teilweise von den zurückgehenden
deutschen Truppen aus ihren Heimatortschaften evakuiert worden, bzw. es
verließen auch Tausende von Ostdeutschen freiwillig ihre Heimat,
weil die Russenangst in ihren Köpfen der Antrieb war.
Auf Befehl der Reichsregierung in Berlin wurde der "Volkssturm"
als zusätzlicher "Verteidigungsfaktor" ins Leben gerufen.
Bei dieser sogenannten "Verteidigung" Deutschlands ging es nun
in Wirklichkeit nur noch um den Schutz und um die Verlängerung der
Regierungs- bzw. Lebenszeit der hohen Partei-, Staats- und Wirtschaftsfunktionäre
der Hitlerregierung.
Auch in Bestensee befahlen die Parteifunktionäre des Ortes die Aufstellung
von Volkssturmeinheiten. Ältere Männer und Jugendliche von Bestensee,
die noch nicht als Soldaten im aktiven Wehrdienst standen, wurden in der
Organisation des Volkssturmes erfaßt und sollten auf Befehl der
Naziführer Bestensee gegen die anrückenden sowjetischen Truppen
verteidigen.
Im März 1945 mußten von der Bevölkerung Bestensees an
den Ortsausgängen aus Baumstämmen sogenannte Panzersperren errichtet
werden. Am Glunsgraben - zwischen der Glunsgrabenbrücke und der Elsenbrücke
- wurden an der Westuferböschung Erdstellungen (Schützenlöcher)
ausgehoben. Der große Saal des Gasthauses Rodominski wurde für
Ostflüchtlinge und dann im April als Liegeraum für verwundete
deutsche Soldaten bereitgestellt.
Das NS-Müttererholungsheim am Seechen bekam den Status als Lazarett
der Wehrmacht. Viele Hausbesitzer bekamen nun geflohene Menschen aus den
ostdeutschen Gebieten, die nicht weiter nach dem Westen ihre Flucht fortsetzen
wollten, als Zwangsmieter zugewiesen. Der Volkssturm, die noch nicht als
Soldaten an den Fronten eingesetzten und im RAD-Lager Freudenthal verbliebenen
Arbeitsmänner und die Hitlerjugend übten jetzt ständig
unter Leitung des Volkssturmkommandeurs und des HJ- und DJ-Führers
den Verteidigungskampf. Das militärische Übungsgelände
war oftmals die Sutschke.
Eine Wehrmachts-Pioniereinheit unter dem Befehl eines Hauptmanns wurde
Anfang April in Bestensee stationiert.
Gaststätte Rodominsky |
Der Befehlsstand der Offiziere war das Gasthaus Rodominski. Die Soldaten
waren in den Häusern der unmittelbaren Umgebung der Gastwirtschaft
einquartiert.
Auf einem Nebengleis der Bahnstrecke Berlin-Görlitz, 200 m nördlich
vor dem Bahnhof Bestensee, stand ein großer Güterwagen voller
Sprengstoff, Granaten, Minen und Munition, den die Soldaten der Pioniereinheit
Tag und Nacht bewachten.
Die Lügenpropaganda-Maschine der Faschisten lief auf Hochtouren.
Ständig wurde der Bevölkerung durch Rundfunk, Presse, Filme
und in den Orts- und Einwohnerversammlungen durch die Nazifunktionäre
eingehämmert: "Durchhalten - kämpfen für Großdeutschland
- der Endsieg ist dem deutschen Volk sicher."
Die Rote Armee hatte inzwischen die Oder/Neiße-Linie erreicht, die
Amerikaner und Engländer standen vor Thüringen, Sachsen und
Mecklenburg.
Am 16. April 1945 begann der letzte Großangriff der Roten Armee
in Richtung Reichshauptstadt Berlin und somit auch in Richtung unseres
Heimatkreises.
Nach einem gewaltigen massiven Artillerie- und Bombenschlag stießen
sowjetische Panzer- Infanterieverbände der 1. Belorussischen und
der 1. Ukrainischen Front in Richtung Berlin vor. Von diesem Tage an wurde
das dumpfe Grollen der Artillerie- und Bombenexplosionen aus der östlichen
Himmelsrichtung jeden Tag und jede Nacht von den Einwohnern Betsensees
gehört. Der Kampflärm, das Bodenzittern und Beben wurde mit
dem Näherkommen der Roten Armee immer stärker.
Die deutschen Truppen leisteten erbitterten Widerstand. 174 deutsche Divisionen
mit einer Gesamtstärke von ungefähr 1 Million Soldaten, mit
zusätzlichen Volkssturmeinheiten und Hitlerjugend-Verbänden,
10.400 Geschützen, 1.500 Panzern und Sturmgeschützen sowie 3.300
Flugzeugen kämpften verbissen um jede Ortschaft und um jedes wichtige
Geländestück zwischen der Reichshauptstadt Berlin und der Oder.
Wer nicht mehr kämpfen wollte, wurde von der SS sofort erschossen
oder aufgehängt.
Doch die Schlagkraft der Roten Armee war nicht aufzuhalten.
Am 21. April erreichten Einheiten der 1. Ukrainischen Front die Ortschaften
Egsdorf und Teupitz in unserem Heimatgebiet. Diese Einheiten stießen
blitzartig in Richtung Berlin weiter und vereinigten sich am 25. April
mit den sowjetischen Truppeneinheiten der 1. Belorussischen Front, die
aus der Richtung Frankfurt/Oder kommend, die südöstlichen Vororte
von Berlin erreicht hatten.
Damit war die deutsche 9. Armee unter Befehl des Generaloberst Busse mit
ungefähr 200.000 Mann im Raum Storkow - Märkisch-Buchholz -
Halbe - Teupitz - Baruth eingeschlossen. In diesem Kesselgebiet mit Zentrum
Halbe waren ebenfalls Reste der 4. deutschen Panzerarmee, Tausende von
Flüchtlingen aus dem Odergebiet sowie die Einwohner der im Einschließungsraum
gelegenen Ortschaften.
Im Norden von Berlin waren sowjetische Verbände weit nach Westen
vorgedrungen, so dass die Berliner deutschen Verteidigungstruppen ebenfalls
eingeschlossen waren. Kapitulationsangebote der sowjetischen Heerführer
wurden von dem deutschen General Busse im Kesselgebiet Halbe sowie von
Hitler im Bunker der Reichskanzlei im Stadtzentrum von Berlin abgelehnt.
So begannen die letzten großen Vernichtungsschlachten im Halber
Einschließungsraum und in Berlin.
Die Ereignisse in Bestensee wurden in diesen Apriltagen ganz von dem unmittelbaren
Kriegsgeschehen diktiert. Vor der Roten Armee flüchtende Wehrmachtseinheiten
und Flüchtlinge durchzogen den Ort.
Verwundete Soldaten lagen im Saal des Gasthauses Rodominski, in den Räumen
des zum Lazarett umfunktionierten Müttergenesungsheimes am Seechen
sowie auch in anderen größeren Räumen von öffentlichen
Gebäuden in Bestensee.
Das Ende der nationalsozialistischen Herrschaft in Bestensee
Der Kampflärm wurde von Tag zu Tag immer stärker.
Elsenbrücke am Todnitzsee |
Am 20. April zerstörten die Soldaten der in Bestensee stationierten
Pioniereinheit die Elsenbrücke am Todnitzsee (Holzbrücke über
dem Glunsgraben) und sprengten den Munitionswagen auf dem Nebengleis vor
dem Bestenseer Bahnhof in die Luft. Bei dieser gewaltigen Explosion wurden
viele Häuser in der näheren Umgebung beschädigt (Dachziegel-
und Fensterscheibenschäden).
Die verwundeten Soldaten wurden vom Gasthaus Rodominski zum Gebäude
am Seechen gebracht. Am 22. April veranstalteten die Ortsfaschisten im
Lokal Rodominski eine Vokssturmversammlung und forderten alle Anwesenden
auf, Bestensee gegen die anrückenden sowjetischen Truppen zu verteidigen.
Der ebenfalls anwesende Alex Stöpper erhob die Stimme und sprach
mutig vor den Faschisten über die Auflösung des Volkssturmes.
Er wollte, daß Bestensee kampflos der Roten Armee übergeben
wird. Die Bestenseer Nazis wollten ihn daraufhin gefangennehmen und erschiessen.
Er konnte in den Glunsbusch fliehen. Die SPD-Mitstreiter Karl Böttcher
und Georg Reinl brachten ihm nachts Lebensmittel und Decken.
Am Ostufer des Todnitzsees hatte eine Wehrmachts-Artillerieabteilung mit
einigen 21 cm-Langrohrgeschützen Stellung bezogen. Am 23. April wurden
die Kanonen von den deutschen Soldaten gesprengt und somit unbrauchbar
gemacht.
Kriegsgerät, Munition und auch Granaten wurden ebenfalls vernichtet
bzw. in den Todnitzsee geworfen. Die Offiziere und Soldaten dieser Abteilung
sowie auch die Soldaten der in Bestensee stationierten Pionierabteilung
flohen dann in Richtung Halbe/Märkisch Buchholz zur 9. deutschen
Armeegruppe und gingen wahrscheinlich dort in der darauffolgenden Kesselschlacht
bei Halbe (vom 25.4. bis 30.4.1945) zu Grunde.
Die führenden Faschisten von Bestensee flohen am 24. und 25. April
ebenfalls zu den deutschen Fronttruppen in Richtung Halbe und Märkisch-Buchholz.
Einige Nazis und auch einige durch die Nazipropaganda verängstigte
und irregeführte Bestenseer Bürger verübten Selbstmord.
Der Volkssturm löste sich auf. Die Waffen wurden weggeworfen (Wald
und Dorfteich) bzw. vernichtet. Die Hitlerjugend- und Jungvolkführung
von Bestensee wollte unbedingt den sinnlosen Verteidigungskampf. Doch
zu dem befohlenen Treffen (Waffenausgabe und Kampfeinweisung) beim Fähnlein-
und Gefolgschaftsführer erschien keiner der Jungen von Bestensee.
In den Bestenseer Familien hatten die Väter und Mütter dafür
gesorgt, daß dieser unsinnige Befehl von ihren Söhnen nicht
mehr befolgt wurde. So verteidigte der HJ-Führer dann am 26. April
allein seine Villa an der Straße nach Motzen - in der Nähe
des Kiessees und starb im Kampf gegen die Rotarmisten.
Glunsgrabenbrücke/Hauptstr. |
Am 26. April vormittags wollte ein SS-Sprengkommando vom Stützpunkt
Pätz/Ziegelei die Steinbrücke (Glunsgrabenbrücke/Gallunsbrück)
in die Luft sprengen.
Ein mutiger Bürger von Bestensee (Herr Sinke) schnitt die Sprengkabel
durch. Somit blieb die Brücke - bis auf eine kleine Beschädigung
an der nördlichen Seite erhalten. Um die Mittagszeit dann war die
Besetzung des Heimatortes Bestensee durch die Rote Armee. Truppenteile
der 1. Ukrainischen Front drangen nach kurzem Granatwerferbeschuß
- wodurch kaum Schäden in Bestensee entstanden - auf der Straße
B 246 aus der Richtung Gallun-Marienhof kommend in Bestensee kampflos
ein.
Nach Verständigung mit den sowjetischen Genossen gründete Alex
Stöpper mit Karl Pöschk, Georg Reinl und Karl Böttcher
die erste provisorische Gemeindeverwaltung am 1. Mai 1945 in Bestensee.
Alex Stöpper war der erste Nachkriegs-Bürgermeister von Bestensee.
Die Kesselschlacht um Halbe tobte noch bis zum 30. April.
Am Nachmittag des 30. April beging Hitler im Reichskanzleibunker in Berlin
Selbstmord. Das Kampfgeschehen in Berlin ging bis zum 2. Mai - dann erst
waren in der völlig zerstörten Stadt die Kämpfe beendet.
Am 1. Mai war die Schlacht in und um Halbe zu Ende.
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